Uhlandstraße 7


Hier wohnte Kurt Koch

Kurt Koch wurde am 22. November 1905 in Halle geboren. Seine Eltern waren Auguste Minna Klausing aus Teutschenthal und der Hallenser August Karl Koch.
Zur Familie gehörten die vier Mädchen, die der Vater aus der ersten Ehe mitbrachte sowie die gemeinsame Tochter Auguste Minna, die nach ihrer Mutter benannt wurde. Die Mutter arbeitete als Dienstmädchen, der Vater als Arbeiter, zuletzt als Helfer in der Anatomie. Die Familie zog mehrfach um, vom Fischerplan zur Schmiedstraße, zur Glauchaer Straße 19, wo Kurt geboren wurde, in die Jakobstraße, in die Torstraße und zurück in die Jakobstraße.

Das Paar bekam nach Kurt noch zwei weitere Söhne, Heinrich Otto und Waldemar Erich, beide wurden nur wenige Monate alt.
Als der Vater starb, war Kurt 14 Jahre alt. Er war als „Arbeiter“ tätig, so vermerken es Dokumente und blieb unverheiratet.
Mehr ist über sein Leben in den 1930er Jahren nicht bekannt.
1939 wurde Kurt Koch nach §175 Reichsstrafgesetzbuch zu einer Gefängnisstrafe von 15 Monaten verurteilt. §175 stellte gleichgeschlechtliche Handlungen unter Strafe. Am Tage der geplanten Haftentlassung (23.12.1940) nahm die Kripo Kurt Koch in Schutzhaft. Als Begründung wurde erneut der § 175 angegeben.

Protokollbogen der Effektenkammer des KZ Buchenwald

Koch befand sich nun ab dem 24. Dezember 1940 im Polizeigefängnis Halle am Hallmarkt und wurde von dort am 6. Februar 1941 in das KZ Buchenwald deportiert. Er wurde dort zur Nummer 169, als „175er“ mit dem rosa Winkel an der Häftlingskleidung für alle anderen Häftlinge und das SS–Wachpersonal sichtbar gekennzeichnet.
Seine persönlichen Dinge wie Kleidung, Uhr, Arbeitsbuch und Brieftasche, die er bei der Einlieferung allesamt abgeben musste, wurden protokolliert.
Kurt Koch musste, wie alle arbeitsfähigen Häftlinge, Zwangsarbeit leisten. In der Strafkompanie gehörte er zunächst zum Arbeitskommando 59 (Bahnbau), wurde dann im Februar 1941 zum Strafkommando Nr. 53 (Steinbruch) versetzt. Der Steinbruch war berüchtigt und gefürchtet bei den Häftlingen – zum einen wegen der Schwerstarbeit im Freien, zum anderen wegen der gesteigerten Brutalität und den Schikanen der SS-Wachleute, die dort das Kommando führten.
Viele homosexuelle Häftlinge wurden sofort nach Ankunft in Buchenwald oder kurze Zeit später - wie es auch mit Kurt Koch geschah - dem Strafkommando Steinbruch zugewiesen. Die Todesrate der Häftlinge im Steinbruch war besonders hoch.

Am 15. September 1942 wurde Kurt Koch gemeinsam mit 600 anderen männlichen Häftlingen vom KZ Buchenwald in das KZ Groß-Rosen deportiert. Er wurde letztlich im Außenlager Dyhernfurth II eingesetzt. Die dortige Fabrik stellte chemische Kampfgase wie Tabun oder Sarin her, mit denen Bomben und Geschosse gefüllt wurden. Zahlreiche Zwangsarbeiter starben während der Produktion.
Anfang des Jahres 1945 rückte die sowjetische Armee aus Osten vor und befreite nach und nach die auf polnischem Gebiet liegenden deutschen Konzentrations– und Vernichtungslager. Darum wurden das KZ Groß-Rosen und seine zahlreichen Außenlager von der SS geräumt, die Häftlinge auf Todesmärsche geschickt oder in andere, westlicher gelegene Konzentrationslager transportiert. Davon betroffen war auch Kurt Koch.
Mitte Februar 1945 wurde er in das KZ Mittelbau bei Nordhausen gebracht.

Die Schwerstarbeit unter Tage zum Bau der sog. Vergeltungswaffen, die die sich abzeichnende Kriegsniederlage noch abwenden sollten, forderte zahlreiche Opfer.

Vom Hauptlager Mittelbau wurde Kurt Koch vermutlich im Zeitraum zwischen dem 9. und 12. März 1945 in die Boelcke - Kaserne verlegt. In diesem ursprünglichen Zwangsarbeiterlager mit teilweise bis zu 6.000 Insassen wurde auch für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke gearbeitet, bis es Ende Januar 1945 zu einem „Kranken - und Sterbelager des Mittelbau-Komplexes“ umfunktioniert wurde. Hier befand sich nun Kurt Koch – und überlebte.
Wann genau er nach der Befreiung von Nordhausen durch die US-Armee wieder nach Halle zurückkehrte, ist nicht feststellbar. Auch von Kurt Kochs späterem Lebensweg ist wenig bekannt.

In Halle lebten noch seine Mutter und seine Schwester. Im März 1951 heiratete der dann 45-jährige Kurt die 40 Jahre alte Berta. Die Ehe währte nur zweieinhalb Jahre und wurde dann geschieden. Kurt Koch hatte einen Stiefsohn, Bruno.

Kurt Koch starb am 12. Januar 1976 in Halle. Er wurde 70 Jahre alt.

Zur Kriminalisierung Homosexueller

Die Kriminalisierung von Homosexualität war keine Erfindung der Nationalsozialisten, die juristische Verfolgung reicht zurück bis ins Mittelalter. Die noch in der Weimarer Republik gelockerten Maßnahmen gegen Homosexuelle wurden unter den Nationalsozialisten rückgängig gemacht. Unmittelbar nach dem Machtantritt der NSDAP wurden entsprechende Lokale und Zeitschriften verboten, spezielle Treffpunkte beobachtet, Namenslisten von Homosexuellen erstellt. In Berlin wurde die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung“ geschaffen. Personen, die homosexuellen Paaren Schutz und gemeinsame Unterkunft ermöglichten, mussten mit Strafe wegen „Kuppelei“ rechnen. Denunziantentum von Familienmitgliedern, Arbeitskollegen, Nachbarn oder ehemaligen Partnern war der Weg bereitet. Erpressungen wurden Teil der Lebensrealität vieler Homosexueller. Der NS-Staat versuchte mit allen Mitteln, das Entstehen jeglicher Art von Liebesbeziehungen zwischen Männern zu verhindern.
1935 wurde das Strafmaß verschärft. Nun genügten bereits Zungenküsse oder gar eine „wollüstige Absicht“ für eine Bestrafung. Zwischen 1935 und 1944 wurden ca. 50.000 solcher Urteile gefällt. Rund 10.000 Männer wurden nach Verbüßung von Haftstrafen zur „Vorbeugehaft“ in Konzentrationslager deportiert, einige hundert wurden kastriert. Auch nach dem Krieg blieb die gesellschaftliche Ausgrenzung für alle, die ihre Neigungen offen lebten, weiter Realität. Die Strafverfolgung homosexueller Handlungen unter Erwachsenen wurde in der DDR Ende der 50er Jahre eingestellt, der §175 wurde 1968 ganz aus dem DDR-Gesetzbuch gestrichen. Die Anerkennung als „Opfer des Faschismus“ und damit der Erhalt einer finanziellen Unterstützung blieb verfolgten Homosexuellen verwehrt, sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik. In der Bundesrepublik blieb der §175 zumindest auf dem Papier bis 1994 bestehen. Erst im Jahr 2002 hob der Deutsche Bundestag die Urteile auf, die während der NS-Zeit mittels der §175/175a gefällt worden waren. Die meisten Verurteilten erlebten ihre juristische Rehabilitierung nicht mehr.

Quellen

Der Text über Kurt Koch ist eine vom Zeit-Geschichte(n) e.V. gekürzte und bearbeitete Fassung der umfangreichen Forschungsergebnisse von Jürgen Wenke zum Lebensweg von Kurt Koch. Die ausführliche Darstellung ist abzurufen unter:
https://www.stolpersteine-homosexuelle.de/kurt-koch
Diese Website versammelt Stolpersteine, aber auch andere Denkmale, die an während der NS-Zeit verfolgte Homosexuelle erinnern.

Fotos: Jürgen Wenke