Halberstädter Straße 13


Hier wohnten Lina Burghardt geb. Schönheim, ihr Sohn Siegfried Burghardt sowie Marie Burghardt geb. Bach und ihre Tochter Elsa Bauchwitz geb. Burghardt

Die Witwen Lina und Marie Burghardt waren Schwägerinnen. Ihre verstorbenen Ehemänner, die Brüder Moritz und Gerson Burghardt, waren Teilhaber des Kaufhauses „Burghardt & Becher” in der Leipziger Straße. Das eigentliche Kaufhausgebäude wurde beim Bombenangriff auf Halle zerstört, aber noch in den 1990er Jahren konnte man an den dahinter befindlichen Lagergebäuden die Aufschrift „Burghardt & Becher“ erkennen. Heute steht auf diesem Grundstück der Neubau des Kaufhauses C&A. Lina, die am 12. November 1866 in Bleicherode geboren wurde, war seit 1888 mit Gerson Burghardt verheiratet und hatte mit ihm drei Kinder: Siegfried, Hedwig und Walter. Gerson Burghardt starb 1930.

Sohn Siegfried, genannt Fritz, (* 19. August 1889 in Köthen) arbeitete als Textilkaufmann. 1920 heiratete er Jenny Flörsheim (*1894 in Romrod). Im Zuge der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ wurde er am 13. Juni 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Zu dieser Zeit wohnte er bei seiner Mutter.

Eine Karteikarte aus Buchenwald enthält die Information: geschieden, zwei Kinder (ein weiterer Sohn Hans verstarb im Kindsalter), Mitglied der Demokratischen Partei, drei Vorstrafen wegen Betrugs, Schlägerei und Verstoßes gegen die Verkehrsordnung. Unterlagen aus Buchenwald zufolge, starb Siegfried Burghardt am 2. März 1939 im Alter von 49 Jahren an „Herzschwäche bei rechtsseitiger Lungenentzündung“. Die Urne wurde Mutter Lina zugeschickt und auf dem jüdischen Friedhof in der Dessauer Straße beigesetzt. Da der jüdische Ritus Leichenverbrennungen und Urnenbeisetzungen nicht gestattet waren, wurde eine Ecke des Friedhofs für die Aufnahme von Urnen, die zu dieser Zeit noch aus den Konzentrationslagern eintrafen, hergerichtet. Heute befindet sich an dieser Stelle ein Gedenkstein.

Siegfrieds Ehefrau Jenny Burghardt und Sohn Manfred (*1925) flüchteten nach Belgien. Nach dem Einmarsch der Deutschen wurden beide in das Lager Drancy gebracht. Von dort wurde Manfred Burghardt am 21. August 1942 nach Auschwitz deportiert, Mutter Jenny eine Woche später. Tochter Inge gelang die Flucht in die USA.
Lina und Gerson Burghardts gemeinsame Tochter Hedwig (*1890), verheiratet mit Arthur Pollak, starb am 1. August 1941 (→Große Ulrichstr. 27). Nur der gemeinsame Sohn Walter überlebte. Er starb 1964 in Frankreich.

Marie Burghardt geb. Bach und Moritz Burghardt hatten fünf Kinder. Marie trat vor der Hochzeit zum Judentum über. Ehemann Moritz Burghardt starb 1907. Sohn Walther Salomon (*1899) wurde nur ein Jahr alt. Den Töchtern Gertrud (*1897) und Hedwig (*1902) gelang die Flucht in die USA. Die Söhne Alfred (*1900) und Rudolf (*1904) flüchteten 1939 nach Shanghai. Nur Tochter Elsa (*1893 in Halle) blieb bei der Mutter.

Die Witwen Marie und Lina sowie Maries Tochter Elsa wohnten gemeinsam in der Halberstädter Straße 13. Als nach den „Rassengesetzen“ Juden und „Arier“ nicht länger miteinander in einem Hause leben durften, wurden Lina, Marie und Elsa Burghardt aus der Wohnung vertrieben und in die Hindenburgstraße 34 (heute Magdeburger Straße 7), ein sogenanntes „Judenhaus“, eingewiesen. Hier heiratete Elsa Burghardt am 20. April 1942 den ebenfalls aus seiner Wohnung vertriebenen Rechtsanwalt Kurt Bauchwitz (→Große Ulrichstraße 2).
Drei Wochen später, am 10. Mai 1942 – kurz vor der drohenden Deportation – nahm sich Elsa Bauchwitz im Hafen Trotha das Leben. Sie war 58 Jahre alt.

Kurt Bauchwitz wurde gemeinsam mit 154 weiteren Juden am 1. Juni 1942 von Halle nach Sobibor bei Lublin deportiert und dort am 3. Juni 1942 mit Gas ermordet. Lina Burghardt wurde am 20. September 1942 zusammen mit 72 weiteren Juden aus Halle über Leipzig in das „Ghetto” Theresienstadt deportiert. Dort starb sie 77-jährig am 17. Januar 1944. Marie Burghardt gilt als verschollen.

Quellen

Stadtarchiv Halle (Saale), Nachlass Gudrun Goeseke

Volkhard Winkelmann und ehemaliges Schülerprojekt "Juden in Halle" des Südstadt-Gymnasiums Halle (Hrsg.): Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle. 3. Auflage (2008)
Eintrag zu Elsa Bauchwitz
Eintrag zu Lina Burghardt
Eintrag zu Siegfried Burghardt
Eintrag zu Marie Burghardt