Brüderstraße 17


Hier wohnte das Ehepaar Max und Elvira Holländer geb. Troplowitz

Max Holländer wurde am 24. Juni 1880 als Sohn eines vermögenden Viehhändlers in Meiningen geboren. Er arbeitete bis 1904 als Apotheker in Meiningen. Danach zog er nach Halle, wo bereits seine ältere Schwester Emma Schwab lebte, und eröffnete 1906 die „Drogen- und Photohandlung Hohenzollern- Drogerie” am Alten Markt 4.

Die Eltern folgten ihren Kindern nach Halle. 1908 verstarb Vater Hermann Holländer, 1922 Mutter Fanny Holländer. Beide sind auf dem Friedhof in der Humboldtstraße 52 begraben. Die Vorfahren von Elvira Troplowitz stammten väterlicherseits aus Gleiwitz in Schlesien, wo die Familie seit dem 17. Jahrhundert ansässig, bekannt, vermögend und assimiliert war. In Hamburg erlangte ein Verwandter von Elviras Vater, Oskar Troplowitz (1863 – 1918), Bekanntheit durch den Kauf des Labors Beiersdorf und die Herstellung einiger noch heute bekannter Produkte (Tesa-Film 1896, Leukoplast 1901, Labellostift 1909 und Niveacreme 1911). Elviras Eltern, Albert und Henny Rosenbaum lernten sich in Hamburg kennen und betrieben nach der Heirat in Riesa ein Geschäft für Putz-, Posamenten-, Weiß- und Wollwaren. Nach der Geburt von Tochter Elvira am 16. Oktober 1893 zog die Familie von Riesa nach Leipzig. Dort kam 1896 Sohn Walter Erich zur Welt. Erich kämpfte als Vizefeldwebel im Ersten Weltkrieg und fiel 1918 in Nordfrankreich.

Nach ihrer Heirat bezogen Max und Elvira Holländer eine Wohnung in der Brüderstraße 17 in Halle. Die Weltwirtschaftskrise ruinierte ihre Existenz. Ende 1930 wurde seine Schwester Emma Schwab, die zu dieser Zeit als Witwe in einem Hamburger Hotel wohnte, von der Jüdischen Gemeinde aufgefordert, ihren Bruder finanziell zu unterstützen. Doch im März 1933 wurde die Drogerie von Max Holländer aus dem Handelsregister gelöscht und die Eheleute zogen in die Leipziger Straße 54. Im Juni 1938 wurde Max Holländer als „ASR-Häftling Nr. 5540“ im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Buchenwald war im Frühsommer 1938 eines der zentralen Lager für sogenannte „Asoziale“, die im Rahmen der „Aktion Arbeitsscheu Reich“ (ASR-Häftlinge) verfolgt und verhaftet wurden. Dies war die erste große antisemitische Verhaftungswelle: 1.256 Juden wurden in der Juni-Aktion als „ASR-Häftlinge“ nach Buchenwald verschleppt.

Am 20. Oktober 1938 wurde Max Holländer zwar entlassen, aber schon drei Wochen später, im Zuge der Pogromnacht, erneut in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert und nach einem Monat, am 17. Dezember 1938, abermals entlassen, allerdings mit der Auflage, Deutschland binnen kürzester Frist zu verlassen. Im April 1939 flüchtete Max Holländer nach Shanghai, wo er am 1. Februar 1943 im Alter von 63 Jahren starb.

Elvira Holländer war vermutlich wegen ihrer in Leipzig lebenden Mutter in Deutschland geblieben. Ihr Vater war 1937 verstorben. Elvira Holländer wurde zu Zwangsarbeit bei der städtischen Müllabfuhr verpflichtet und musste in das Haus am Harz 48 ziehen, das von der Gestapo als „Judenhaus“ deklariert worden war. Zwar bemühte sie sich noch um ihre Auswanderung, doch am 1. Juni 1942 wurde die 48-jährige Elvira Holländer in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und sofort nach der Ankunft am 3. Juni 1942 mit Gas ermordet.
Nur drei Monate später, im September 1942, wurde ihre 78-jährige Mutter von Leipzig nach Theresienstadt deportiert, wo sie im Februar 1943 starb.

Weitere Informationen

Shanghai – Zuflucht und Wartesaal. Hallesche Juden im Exil
Ein Film von Fabian Lamster, Stefan Michel, Marie Schultz (2017, 30 Min)
Entstanden im Rahmen des Projekts „Stolpersteine – Filme gegen das Vergessen“ des Masterstudiengangs MultiMedia & Autorschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2017
Die Drei Schwestern – Eine Familie, dasselbe Schicksal
Ein Film von Ulrike Kuhrt, Steffen Wrede und Christin Pomplitz (2020, 11 Min)
Entstanden im Rahmen des Projekts „Stolpersteine – Filme gegen das Vergessen“ des Masterstudiengangs MultiMedia & Autorschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2020

Quellen

Sabine Schwab (Hg.): Lebenslinien. Erinnerungen an die Familien Gembicki, Kemlinski und Schwab.

Manuskript im Besitz der Herausgeberin, Fassung September 2012

Stadtarchiv Halle, Auskunft Roland Kuhne vom 30.8.2011

Volkhard Winkelmann und ehemaliges Schülerprojekt "Juden in Halle" des Südstadt-Gymnasiums Halle (Hrsg.): Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle. 3. Auflage (2008)
Eintrag zu Elvira Holländer
Eintrag zu Max Holländer

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