Lafontainestraße 4


Hier wohnte Leo Schönbach

Leo Schönbach wurde am 30. September 1892 als jüngstes von drei Kindern in Leipzig geboren. Die Eltern stammten aus Czernowitz/Bukowina. Der Vater, Schaul Hersch genannt Hermann Schönbach, war in Halle Inhaber von “S. H. Schönbach – Haus- und Küchengeräte” in der Schmeerstraße 1 (heute Stadthaus). Er starb 1928, seine Frau Anna Schönbach geb. Adler starb 1938. Ihr Grab befindet sich auf dem alten Jüdischen Friedhof in der Humboldtstraße 52.

Während der ältere Bruder Jakob (1884-1956) das väterliche Geschäft übernahm, erhielt Leo eine Musikausbildung am Konservatorium Leipzig, Regina erbte das Elternhaus. Nach einer Anstellung als Solocellist am Herzoglichen Hoftheater Altenburg, wurde er 1917 Chordirektor, später Solorepetitor und Kapellmeister am Stadttheater Halle. Ab 1924 freiberuflich als Cellist, Kapellmeister und Musiklehrer tätig, war er auch ein gefragter Piano-Begleiter auf Konzerttourneen namhafter Sänger. 1924 heiratete er Anna Friederika Sophie Elsa Staudtmeister (*6.8.1896), die Ehe wurde 1934 geschieden.

1935 wurde er aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen, was ein Auftrittsverbot für alle deutschen Bühnen bedeutete. Ihm blieb nur der Jüdische Kulturbund Halle, wo er die Leitung der Jüdischen Chorvereinigung übernahm und Veranstaltungen initiierte, an denen er auch als Mitwirkender teilnahm. So begleitete er die bekannte jüdische Sängerin Beatrice Freudenthal-Waghalter auf einer Konzerttournee durch Synagogengemeinden. Erhalten sind Programmzettel von Auftritten in Berlin, Ulm, Nürnberg, Hamburg, Hannover, Stuttgart, Magdeburg, Koblenz und Halle. Ab 1937 war er musikalischer Leiter der Leipziger jüdischen Kleinkunstbühne DER BUNTE KARREN.

1938 erging an Leo, Jakob und die Schwester Regina Schönbach die Aufforderung, Deutschland umgehend zu verlassen. Alle Versuche, Visa zu erhalten, scheiterten an Geldmangel. Auch ein illegaler Grenzübertritt nach Holland missglückte. Mit Hilfe des jüdischen Auswandererhilfsfonds und dem Erlös des Zwangsverkaufs des elterlichen Wohnhauses in der Lafontainestraße 4 gelang Leo und Jakob Schönbach am 11. März 1939 die Flucht nach Shanghai, dem einzigen Ort in der Welt, an dem mittellose Emigranten eine visafreie Zuflucht finden konnten. Schwester Regina sowie Jakobs Frau und Tochter folgten ihnen. Obwohl die Lebensbedingen in Shanghai hart waren, schufen die Künstler ein reiches kulturelles Leben. Leo Schönbach wurde musikalischer Operettenleiter im „Russian Club-Theatre“, er dirigierte Kálmans Operette DIE CSÁRDÁSFÜRSTIN und (mit Alfred Dreifuß als Regisseur) auch Opernaufführungen. Mitten in den Proben zur CAVALLERIA RUSTICANA erlitt er am 4. Februar 1945 einen Gehirnschlag.
Mehrere hundert Menschen kamen zur Trauerfeier. Nachrufe bezeichneten ihn als „König der Operette in Shanghai“ und „wo er ging und was er anfasste, gewann wie durch Zauberhand Glanz und Leben.“ Bei der Premiere von CAVALLERIA RUSTICANA erhob sich das Publikum zu einer Gedenkminute von den Plätzen.

Jakob Schönbach kehrte mit Frau, Tochter, Schwiegersohn und Enkel nach Halle zurück. Regina Schönbach ging in die USA, wo sie 1970 in Oakland/California starb. Seit 1999 erinnert in Halle-Wörmlitz der Leo-Schönbach-Weg an den Musiker.

Weitere Informationen

Ein Leben für die Musik – Auf den Spuren von Leo Schönbach
Ein Film von Markus Reiniger und Henning Grabow ( 2015, 12 Min)
Entstanden im Rahmen des Projekts „Stolpersteine – Filme gegen das Vergessen“ des Masterstudiengangs MultiMedia & Autorschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2015
Shanghai – Zuflucht und Wartesaal. Hallesche Juden im Exil.
Ein Film von Fabian Lamster, Stefan Michel, Marie Schultz (2017, 30 Min)
Entstanden im Rahmen des Projekts „Stolpersteine – Filme gegen das Vergessen“ des Masterstudiengangs MultiMedia & Autorschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2017

Quellen

Manfred Worm, Persönliche Mitteilungen an den Verein Zeit-Geschichte(n)
Margrit Lenk, Materialsammlung zu Leo Schönbach

Volkhard Winkelmann und ehemaliges Schülerprojekt "Juden in Halle" des Südstadt-Gymnasiums Halle (Hrsg.): Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle. 3. Auflage (2008)
Eintrag zu Leo Schönbach