Willy-Brandt-Straße 47
(ehemals Lindenstraße)
Hier wohnte Franz Peters
Otto Franz Peters wurde am 18. Dezember 1888 im damals noch nicht nach Halle eingemeindeten Giebichenstein geboren.
Seine Eltern waren die Fabrikarbeiterin Caroline Peters geb. Raith (1865-1930) und der Handarbeiter Wilhelm Franz Peters (1862-1934). Als Franz Peters geboren wurde, lebte die Familie in der Großen Brunnenstraße 26. Die Eltern ließen ihren Sohn evangelisch taufen, Vater und Sohn hatten den gleichen Rufnamen: Franz.
Franz Peters hatte acht Geschwister, vier von ihnen starben noch im Kindes- und Jugendalter.
Bald zog die Familie weg aus Giebichenstein und fand eine dauerhafte Bleibe im neu entstehenden Kaiserviertel (heute Paulusviertel). Die Eltern erwarben ein Haus in der Blumenthalstraße 27 (heute Adolf-von-Harnack-Straße 27). Im Hinterhof eröffnete der Vater um die Jahrhundertwende eine kleine Kohlensäure- und Mineralwasserfabrik, später wurde hier auch Bier verkauft. Im Souterrain des Vorderhauses betrieb die Mutter einen Kolonialwarenladen und verkaufte ebenso Gemüse und Obst. Jeden Morgen fuhr sie mit dem Pferdewagen zum Großmarkt, um frische Ware einzuholen.
Franz Peters besuchte die Mittelschule, vergleichbar der heutigen Realschule, und nahm dann eine Maurerlehre auf. Noch als Lehrling wurde er 1907 Mitglied der SPD. Dort war auch sein Vater politisch organisiert, der mehrfach auf der Liste der Sozialdemokraten für die Stadtverordnetenversammlung kandidierte.

Familie Peters 1914. Das Foto entstand vermutlich kurz nach Einberufung der Söhne in den Ersten Weltkrieg. Von links: Die Brüder Fritz, Franz und Paul Peters, daneben Vater Franz Peters mit Mutter Caroline Peters. Fritz geriet 1915 in Kriegsgefangenschaft und wurde nach Sibirien gebracht.

Hedwig und Franz Peters um 1911
Bei der SPD lernte Franz Peters auch seine spätere Frau, Hedwig Albrecht (1887-1974) kennen. Ihr Vater war Adolf Albrecht (1855-1930), ein in Halle bekannter Sozialdemokrat. 1889 war er im Zuge der „Sozialistengesetze“ als „gefährlicher Sozialdemokrat“ aus Leipzig ausgewiesen worden und mit seiner Familie nach Halle gekommen. In Leipzig war er als Schneidermeister tätig gewesen, in Halle eröffnete Adolf Albrecht in der Lindenstraße 53 ein Zigarren- und Tabakgeschäft, das sich zum Treffpunkt hallescher Sozialdemokraten entwickelte. 1895 wurde Albrecht in die Stadtverordnetenversammlung gewählt, von 1898 mit Unterbrechungen bis 1924 war er Reichstagsabgeordneter.
1911 heirateten Hedwig Albrecht und Franz Peters und zogen zunächst in die Rosenstraße 3, und kurz danach – der erste Sohn (wieder mit dem Namen Franz) war geboren - in die Nähe von Franz Eltern in die Blumenthalstraße 23.
Im August 1914 folgte Tochter Hanna, 1921 Sohn Heinz.

Hedwig und Franz Peters mit Sohn Franz und der neugeborenen Hanna im Jahr 1914

Franz Peters auf Wahlkampftour, vermutlich 20er Jahre
Seit März 1914 war Franz Peters Angestellter im Deutschen Bauarbeiterverband, dem er bereits während seiner Lehre beigetreten war. Im Februar 1915 wurde er als Landsturmrekrut zum Heer nach Magdeburg einberufen. Nach seiner Rückkehr 1918 trat er der USPD bei und wurde deren Bezirksverbandssekretär in Halle-Merseburg. 1922 kehrte er in die SPD zurück und wurde nun Bezirkssekretär der Sozialdemokraten, war von 1927 bis 1933 auch Bezirksvorsitzender.
1920/21 war er Mitglied des Provinziallandtages der preußischen Provinz Sachsen und von 1920 bis 1933 Mitglied des Provinzialrates.
1924 wurde er erstmals in den Reichstag gewählt, dem er durchgehend bis 1933 angehörte. Er folgte hier als Abgeordneter direkt seinem Schwiegervater, der das Mandat bis 1924 inne hatte.

Geburtstagsfeier von Stadtrat Josef Abramowitz (SPD, 2.v.l.links) in den 20er Jahren, neben ihm: links Stadtrat Karl Reiwand (SPD), rechts Reichstagsabgeordneter Franz Peters (SPD) und Peters` Schwiegervater Adolf Albrecht (SPD)

Im gleichen Jahr zog die Familie nochmals um, die neue Wohnung lag in der Königstraße 56 (heute Rudolf-Ernst-Weise-Straße 32).
Von 1929 bis 1933 gehörte Franz Peters außerdem der Stadtverordnetenversammlung an und war Vorsitzender der SPD-Fraktion.
Nebenbei übte er bei der Leipziger Volkszeitung, einem Organ der SPD, die Aufgabe des für Halle-Merseburg verantwortlichen Redakteurs aus.
Aufgrund seiner Mandate und Funktionen in der Partei war Franz Peters viel unterwegs. Nebenbei war er ein eifriger und begeisterter Leser, der eine Bibliothek mit etwa 3000 Büchern angesammelt hatte. Um die Kinder und den Haushalt kümmerte sich, wie es damals üblich war, seine Frau.
Als einer der bekanntesten Sozialdemokraten in Halle war Franz Peters in den letzten Jahren vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten starkem Druck und persönlicher Bedrohung ausgesetzt. Zeitweise erhielt er Polizeischutz und konnte sich nicht allein auf die Straße begeben. In dieser Zeit bildete sich bei Peters ein Herz- und Nervenleiden aus.
1932 zog er mit seiner Familie in die Lindenstraße 47, ganz in der Nähe, in der 53, wohnten die Albrechts, die Familie seiner Frau.
Am 23. März 1933 stellten die Nationalsozialisten das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, allgemein bekannt als Ermächtigungsgesetz, dem Parlament zur Abstimmung. Dieses tagte nach dem Reichstagsbrand in der Berliner Krolloper, an deren Eingang und Innenraum die SA die Anwesenden mit hoher Präsenz einzuschüchtern versuchte. Das Gesetz ermöglichte der neuen Regierung, jegliche neue Gesetze ohne Zustimmung des Parlaments oder des Präsidenten zu erlassen und bedeutete das vorläufige Ende der parlamentarischen Demokratie in Deutschland.
Franz Peters gehörte zu den 94 sozialdemokratischen Abgeordneten, die sich nicht einschüchtern ließen, sondern trotz der bedrohlichen Kulisse gegen das Ermächtigungsgesetz stimmten.
Alle 444 Abgeordneten der anderen Parteien stimmten zu. Die 81 Abgeordneten der Kommunistischen Partei durften nicht mit abstimmen, ihre Mandate waren aufgrund der Reichstagsbrandverordnung vom 27.2.1933 bereits annulliert worden. Zahlreiche Abgeordnete der KPD waren bereits verhaftet oder befanden sich auf der Flucht. Auch SPD-Abgeordnete waren zu diesem Zeitpunkt bereits verhaftet worden, Julius Leber wurde direkt vor dem Betreten der Krolloper festgesetzt.
Am 10. Mai 1933 kam nachts um 12 Uhr die Gestapo in die Lindenstraße 47 und führte eine Hausdurchsuchung durch. Vorwand war eine durch Franz Peters angeblich getätigte Beleidigung der NSDAP und deren Gauleiter für Halle-Merseburg, Rudolf Jordan. Franz Peters wurde verhaftet und mitgenommen. Die Welle der politischen Ereignisse hatte ihm bereits stark zugesetzt, nun brach er körperlich und seelisch zusammen.
Man fuhr ihn in die Strafanstalt Roter Ochse, hier und im Gestapo-Gefängnis am Hallmarkt wurden in diesen Tagen politische Gegner inhaftiert. In Haft wurde ihm gesagt „Sie sind ja sowieso ein toter Mann!“. Man habe ihm garantiert, wäre er gesund, hätte man Hackfleisch aus ihm gemacht. Nach wenigen Tagen wurde er in ein Krankenhaus entlassen. Hier demütigte man ihn, indem man ihn zwang, vom Krankenbett den Hitlergruß zu zeigen, so berichtete er es seiner Frau.
Im Mai 1933 wurde das Parteivermögen der SPD beschlagnahmt, ihre Verlage stillgelegt. Am 22. Juni 1933 wurde die SPD verboten. Etwa 3000 Sozialdemokraten wurden allein 1933 verhaftet.
Hedwig Peters und die drei Kinder zogen in dieser Situation zu Hedwigs Mutter Mathilde Albrecht (*1858-1937). Im Erdgeschoss der Lindenstraße 53 befand sich noch immer der Tabakladen, den inzwischen Hedwigs Bruder, Rudolf Albrecht, führte. Hierhin wurde Franz Peters etwa Ende Juni aus der Universitätsklinik mit attestierter Herzklappenentzündung, Herzmuskel- und Kreislaufschwäche entlassen.
Am 11. August 1933 verstarb Franz Peters mit 44 Jahren im Kreis seiner Familie.
Die Ruhestätte befindet sich auf dem halleschen Südfriedhof in der Familiengrabstätte der Albrechts.


Willy-Brandt-Straße 47
Die Familie hatte auch nach dem Tod des Vaters keine leichte Zeit. Seine Tochter, von der der Vater einst der Meinung gewesen war, sie bräuchte keine Ausbildung, denn er würde für sie sorgen, begann nach seinem Tod eine Ausbildung als Konfektionsverkäuferin im Kaufhaus der jüdischen Geschwister Loewendahl in der Großen Ulrichstraße 49 (-> Stolpersteine Forsterstraße 13). Weitere Hausdurchsuchungen folgten. 1937 holte die Gestapo die umfangreiche und wertvolle Bibliothek von Franz Peters ab sowie jegliche Unterlagen und Andenken seiner Parteiarbeit, auch private Korrespondenz. Keine Spur sollte von der Sozialdemokratie bleiben.
Hedwig Peters verließ Halle Ende 1945 und floh zu Fuß über die grüne Grenze zu ihrer Tochter, die schon im August mit Kleinkind im Bollerwagen geflohen war. Sie wurde später in Karlsruhe ansässig. Auch Franz Peters Bruder Paul floh 1953 in den Westen. Er war ebenfalls Sozialdemokrat und stand dem zunehmend stalinistischen Kurs der seit 1946 mit der KPD zur SED zwangsvereinigten SED kritisch gegenüber. Im September 1948 war er dafür im Rahmen einer größeren „Säuberungsaktion“ verhaftet und wie zuvor sein Bruder im Roten Ochsen interniert worden.
Hedwig und ihre Tochter Hanna besuchten Halle später fast jährlich. Hier lebte eine Zeitlang noch ihr Sohn und Bruder Heinz, der in Halle verheiratet war. Kurz vor dem Mauerbau floh aber auch er mit Frau und Kind nach Westdeutschland. Einige wenige Familiendokumente sind gerettet worden. Rudolf Albrecht, Bruder von Hedwig Peters, hatte sie während der Zeit beider Diktaturen versteckt. Seine Schwester und Nichte haben sie nach und nach bei ihren Besuchen in Halle mitgenommen, so dass wenigstens ein kleiner Teil der Familiengeschichte erzählt werden kann.
- Hallesche Sozialdemokraten, Franz Peters vorn 2.v.l., sein Bruder Paul Peters hinten mit Mütze, vermutlich 20er Jahre
- Neben der Partei verband eine enge Freundschaft die Familien Abramowitz, Peters und Reiwand: von links: Selma Abramowitz, Karl Reiwand mit Frau, stehend Franz Peters Tochter Hanna, Martin Abramowitz, Lotte Peters (Frau von Franz Peters` Bruder Paul), Hedwig und Franz Peters, Paul Peters
- Ausflug mit der Partei, Franz Peters vorn, 3.v.l.
- Caroline und Franz Peters mit ihren Schwiegertöchtern und Enkelkindern. V.l. Lotte Peters (Ehefrau von Paul Peters), Enkelkinder Hanna Peters, Franz Peters, daneben Hedwig Peters mit Sohn Heinz
- v.l. Franz Peters mit Ehefrau Hedwig und den Söhnen Heinz (vorn), Franz (hinten) sowie Rudolf Albrecht (Bruder von Hedwig Peters) mit Ehefrau Martha
- v.l. Hedwig Peters mit Sohn Heinz, Selma Abramowitz, Mathilde Albrecht, Hanna Peters und Martha Abramowitz
- Hallische Nachrichten 7.11.1932
- Hallische Nachrichten 24.10.1930
- Eintrag im Abgeordnetenhandbuch des Reichstags
- Hallische Nachrichten 15.3.1928
- Hallische Nachrichten 24.4.1931
- Im Eingangsbereich des Stadthauses erinnert eine Tafel an im 20. Jh. verfolgte Stadträte
Quellen
Brigitte Takerngrasmi (Essen), Enkelin von Franz Peters
Archiv der sozialen Demokratie, Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn
Andreas Schmidt: KPD, SPD und SED in Halle 1945-1952. In: Geschichte der Stadt Halle. Band 2. Halle 2006. S. 343-358.
Zeitungsausschnitte: Deutsche Digitale Bibliothek
Fotos: Brigitte Takerngrasmi, Enkelin von Franz Peters und Markus Hawlik-Abramowitz, Enkel von Josef Abramowitz