Albert-Schweitzer-Straße 54


(ehemals Zeppelinstraße)

Hier wohnten das Ehepaar Dr. jur. Albert Müller und Else Müller geb. Baer, Emil Müller und Lucie Helft geb. Heinemann (geschiedene Stern)

Albert Müller wurde am 14. März 1878 in Halle geboren. Er besuchte das Städtische Gymnasium und studierte im Anschluss in Würzburg und Leipzig Jura. Nach Abschluss des Studiums eröffnete er in Halle eine Anwalts- und Notarpraxis. 1911 heiratete er die im westfälischen Hamm geborene Else Baer. 1913 wurde Sohn Hans-Joachim, 1920 Tochter Irmgard geboren.

Albert Müller nahm als deutscher Soldat am Ersten Weltkrieg teil und hatte durch eine Verwundung ein Bein verloren. Eine Bauakte von 1926 weist ihn als Eigentümer des Hauses Zeppelinstraße 54 aus.

Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Emil Müller war Lederwarenfabrikant von „E. Müller & Co” sowie „S. Müller jun.” Er war unverheiratet und wohnte bei seinen Eltern in der damaligen Magdeburger Straße 34, bis er nach deren Tod zu seinem Bruder Albert zog.

1934 gelang dem 21-jährigen Sohn Hans-Joachim Müller die Flucht über Panama in die USA.

Die Brüder Albert und Emil Müller gehörten zu den jüdischen Männern, die im Zuge der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht wurden. Das dortige Sterberegister weist für den 20. Dezember 1938 den Tod des 58-jährigen Emil Müller durch „Schlaganfall“ aus. Der invalide Albert Müller kam zurück und wurde ab Dezember 1938 in Halle zu Zwangsarbeit, u. a. im Straßenbau, verpflichtet.

Weitere Hausbewohner in der Zeppelinstraße 54 waren bis 1939 noch Hans Helft-Brummer (*5.8.1895), Miteigentümer der Kaufhäuser Alex Michel und Brummer & Benjamin, der im Juni 1939 nach Chile flüchtete sowie Lucie Stern (*13.3.1897 in Hannover), die 1937 aus Essen nach Halle gezogen war.

Ab 1940 erscheint in den Akten Dipl.-Ing. Edmund Grübler, NSDAP-Mitglied seit 1932, als Eigentümer des Hauses Zeppelinstraße 54. Albert und Else Müller waren zu diesem Zeitpunkt in der Händelstraße 3 gemeldet. Lucie Stern wurde ins „Judenhaus“ in der Forsterstraße 13 eingewiesen. Hier traf sie auf den Adoptivvater von Hans Helft-Brummer, Cuno Helft, der ebenfalls seine Wohnung verloren hatte (→Universitätsring 19/20).

Mitte 1942 begannen die Vorbereitungen für eine „Umsiedlung der Juden nach Osten“. Keiner der Betroffenen wusste, wohin die Reise gehen sollte und was sie am Ziel erwartete. Um sich Beistand zu geben und bei der „Umsiedlung“ nicht auseinandergerissen zu werden, gab es kurz vor der Deportation noch etliche Eheschließungen. So auch zwischen der 45-jährigen Lucie Stern und dem 68-jährigen Cuno Helft.

Am 1. Juni 1942 wurden der 64-jährige Albert und die 54-jährige Else Müller, Schwägerin Henny Müller (→Rathenauplatz 3), Lucie und Cuno Helft sowie 151 weitere Juden von Halle ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und sofort am Ankunftstag, dem 3. Juni 1942, mit Gas ermordet.
 

Weitere Informationen

Die Drei Schwestern – Eine Familie, dasselbe Schicksal
Ein Film von Ulrike Kuhrt, Steffen Wrede und Christin Pomplitz (2020, 11 Min)
Entstanden im Rahmen des Projekts „Stolpersteine – Filme gegen das Vergessen“ des Masterstudiengangs MultiMedia & Autorschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2019/2020

Quellen

Volkhard Winkelmann und ehemaliges Schülerprojekt "Juden in Halle" des Südstadt-Gymnasiums Halle (Hrsg.): Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle. 3. Auflage (2008)

Eintrag Albert Müller
Eintrag Else Müller
Eintrag Emil Müller
Eintrag Lucie Helft


Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945

Eintrag zu Albert Müller
Eintrag zu Else Müller
Eintrag zu Emil Müller
Eintrag zu Lucie Helft